Die Fenster der Muhammad-Moschee sind inzwischen vergittert. An der Tür eine Kamera, daneben ein Schild: "Sicherheitshinweis – keine großen Taschen erlaubt". Die muslimische Gemeinde im Nordosten von Washington rüstet sich gegen den Hass, der ihr seit Monaten entgegenschlägt. Zu wüst sind die Beschimpfungen im Internet geworden und auch die Drohbriefe im Postkasten der Moschee lassen sich nicht mehr ignorieren. "Wir werden euch niederbrennen" – solche Botschaften bekommen sie hier in letzter Zeit öfter.

Kurz vor dem Mittagsgebet steht Imam Talib Shareef in der Tür und begrüßt per Handschlag die Mitglieder seiner Gemeinde, die zum Gebetsraum im oberen Stock eilen. Die Straße vor der Moschee ist gesäumt mit roten Taxis. Ihre Fahrer – Einwanderer aus Pakistan, Ägypten und den Palästinensergebieten – kommen in ihrer Pause hierher, ein kurzes Gebet, dann steigen sie wieder ein und fahren weiter. "Wir gehören genauso zu dieser Stadt wie alle anderen auch", sagt Imam Shareef grimmig. Über ihm, auf dem Dach, wehen drei Fahnen: der grüne Koran, das Stadtwappen von Washington und die Nationalflagge der USA.

Talib Shareef hat Angst um die Mitglieder seiner Gemeinde. Denn nie zuvor gab es in Amerika so viele Angriffe auf Moscheen, wurden Frauen mit Kopftuch so häufig in der Öffentlichkeit attackiert. "Die Stimmung im Land wird immer aggressiver", sagt der Imam. In seinen Augen hat daran vor allem ein Mann Schuld: Donald Trump, Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Der erklärt den Islam seit Monaten zur Terrorreligion, fordert einen Einreisestopp für Muslime und die Totalüberwachung aller amerikanischen Moscheen – "bis wir endlich wissen, was zur Hölle hier eigentlich los ist".

Sie sehen Moscheen als Brutstätten des radikalen Glaubens

Für Imam Shareef klingen Trumps Worte wie Hohn. Seit sechs Jahren leitet er die muslimische Gemeinde im Washingtoner Stadtteil Shaw. Er organisiert Straßenfeste, lädt nicht muslimische Jugendliche in die Muhammad-Moschee ein und spricht vor Schülern über seinen Glauben. Er spürt nach den Terroranschlägen in Nizza, Orlando und San Bernardino, dass jeder Muslim in den Augen vieler Amerikaner ein potenzieller Extremist und jede Moschee eine mögliche Brutstätte radikalen Glaubens ist. "Täglich arbeiten wir hier daran, dass die Leute keine Angst vor uns haben", sagt Shareef. Während er spricht, servieren seine Mitarbeiter den bedürftigen Rentnern aus der Nachbarschaft in der Küche des Gemeindezentrums Halal-Lasagne auf kleinen Plastiktellern.

In Washington gilt Shareef als Vorzeige-Imam – progressiv, transparent, friedlich –, doch nicht überall kommt seine Arbeit gut an. Als er vor ein paar Jahren eine Sitzung des US-Kongresses mit einem Gebet eröffnet hatte, bekam er Todesdrohungen, so erzählt er. Im vergangenen Oktober rief eine militante Gruppe weißer Rassisten zu bewaffneten Protesten vor der Muhammad-Moschee auf. "Der Hass trifft uns aus beiden Richtungen: Islamistischen Extremisten sind wir zu liberal und die White Supremacists haben es seit 9/11 ohnehin auf uns abgesehen", sagt Shareef.

Die Angst vor dem Islam dient Donald Trump seit Monaten als Schmiermittel für seinen Wahlkampf – mit feindseligen Sprüchen konnte er bei den Wählern bislang punkten. Trumps neueste Attacken gegen die Familie des gefallenen muslimischen US-Soldaten Humayun Khan lösten in vergangenen Woche jedoch erbitterten Widerstand aus: Denn das Militär ist vielen Amerikanern heilig. Dass Trump nun gegen eine Veteranen-Familie pöbelt, geht sogar vielen Republikanern zu weit – und plötzlich beschweren sie sich auch über die islamophoben Ausfälle ihres Kandidaten.