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Deutschland Salafisten-Razzia

Gefährliche Spielchen in Niedersachsen

Korrespondent
Polizisten erstürmen im Zuge einer großangelegten Razzia gegen Salafisten ein Gebäude in Hildesheim Polizisten erstürmen im Zuge einer großangelegten Razzia gegen Salafisten ein Gebäude in Hildesheim
Polizisten erstürmen im Zuge einer großangelegten Razzia gegen Salafisten ein Gebäude in Hildesheim
Quelle: dpa
In Niedersachsen entzündet sich politischer Streit an einem Schlag gegen Salafisten, über den vorab in der Presse zu lesen war. CDU und SPD stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Am vergangenen Mittwoch erschien in der Zeitung „Neue Presse“ in Hannover ein Bericht über den Deutschsprachigen Islamkreis (DIK) in Hildesheim. Berichtet wurde, dass die niedersächsischen Sicherheitsbehörden „in wenigen Tagen zum entscheidenden Schlag“ gegen jenen DIK ausholen könnten.

Es handelt sich um einen Verein, der so etwas wie den Mittelpunkt der niedersächsischen Salafistenszene darstellt und sich nach Einschätzung des Landeskriminalamts als eine Art Rekrutierungsbüro für zukünftige IS-Kämpfer betätigt. Wenn es nach Niedersachsens Sicherheitsbehörden geht, soll der Islamkreis verboten werden.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius
Quelle: dpa

Noch am Tag dieser bemerkenswerten Vorabveröffentlichung stand die Polizei tatsächlich vor den Räumen des DIK und den Wohnungen von acht seiner Vorstandsmitglieder, deutlich früher, als es ursprünglich geplant war. Ob die folgende Razzia ein Erfolg war, steht nicht fest.

Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Ermittler auf der Suche nach belastendem Material gegen die Islam-Hardliner fündig geworden sind, war mit der Vorwarnung in der „Neuen Presse“ deutlich gesunken. In der Chefetage des niedersächsischen Innenministeriums rätseln die Mitarbeiter deshalb, wer wohl innerhalb der Sicherheitsbehörden ein Interesse daran haben könnte, den geplanten Schlag gegen die Salafistenszene mittels Durchstecherei zu behindern.

„Medienwirksam inszenierter Schlag“

Als undichte Stellen kommen der Polizeiapparat selbst, das an der Vorbereitung der Razzia ebenfalls beteiligte Verwaltungsgericht Hannover sowie das Ministerium selbst infrage. Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat deshalb inzwischen Strafanzeige gegen unbekannt angekündigt. Entsprechende Ermittlungen, so sie Hannovers Staatsanwaltschaft tatsächlich anstrengt, verlaufen mit schöner Regelmäßigkeit im Sand.

Dennoch: Schon der Text, den die „Neue Presse“ veröffentlichte, gibt zumindest einen Hinweis auf den Kontext dieser Behörden-Durchstecherei. Erwähnt wird am Ende des Artikels der „Druck, der durch die Einrichtung des Islamismus-Ausschusses des Landtags auf Innenminister Pistorius und Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger“ laste. Dieser Druck, so heißt es unter Berufung auf „Insider“, sei möglicherweise der „Grund für einen vermutlich medienwirksam inszenierten Schlag gegen den DIK“.

Nun ist es in der Tat so, dass jener Islamismus-Ausschuss einen gewissen Druck entfaltet hat. Er richtete sich bisher allerdings weniger gegen Sicherheitsbehörden und Landesregierung als gegen die Union und die FDP, die diesen Untersuchungsausschuss nach dem Messerangriff einer 15-jährigen Islamistin auf einen Polizeibeamten durchgesetzt hatten.

SEK stürmt Wohnungen und Salafisten-Moschee

Polizeibeamte haben am Abend die DIK-Moschee in Hildesheim durchsucht. Schon länger versuchen die Behörden den Verein zu verbieten. Er gilt als bundesweiter Hot-Spot der radikalen Salafistenszene.

Quelle: Die Welt

Die Oppositionsparteien wollen mit diesem Ausschuss Sicherheitslücken in Niedersachsens Terrorabwehr ausfindig machen; vor allem aber soll, wie es bei Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen üblich ist, der politische Gegner vorgeführt werden. Die Frage ist nur, ob Terrorabwehr für derlei Spielchen das richtige Thema ist. Jedenfalls hat bisher bundesweit noch keine andere Landtagsopposition einen Terroranschlag zum Anlass für einen Untersuchungsausschuss genommen. In Hannover machten bisher eher die Kosten Furore, die der Ausschuss wegen der nötigen Geheimhaltungsmaßnahmen mit sich bringt.

Auch in Berlin, bei der dort mitregierenden Union, verfolgt man das Treiben der niedersächsischen Parteifreunde mit Verwunderung. Das CDU-geführte Bundesinnenministerium zum Beispiel verweigerte dem Untersuchungsausschuss schriftlich jeglichen Einblick in seine Akten. Auch Informationen des Bundeskriminalamts oder des Bundesverfassungsschutzes werden trotz entsprechender Anfragen nicht zur Verfügung gestellt.

Nach Machtwechsel Beamte ausgetauscht

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Ein an Peinlichkeit für die Niedersachsen-Union eigentlich kaum zu überbietender Bescheid. In Hannover aber, wo sich Regierung und Opposition seit der Wulff-Affäre und dem knappsten aller denkbaren Wahlergebnisse unversöhnlich gegenüberstehen, noch lange kein Grund, in Sack und Asche zu gehen. Hier bleiben die dicksten Brocken gerade groß genug, um sie in Richtung des politischen Gegners zu werfen. Eine Ruppigkeit, die offenbar bis in die Sicherheitsbehörden durchschlägt, deren Chefetagen bewährter Platz politischer Machtspiele sind.

So hat die 2013 ins Amt gekommene rot-grüne Landesregierung schon kurz nach Beginn der Legislaturperiode die meisten Polizeiführer ausgetauscht; jeder, der dem früheren Innenminister Uwe Schünemann (CDU), für viele Sozialdemokraten damals so etwas wie der Antichrist, auch nur halbwegs loyal gedient hatte, stand unter Generalverdacht.

Auch das Landesamt für Verfassungsschutz, bis dahin eine Bastion der Union, erhielt eine neue, sozialdemokratische Chefin. Sie wird von der Opposition seit ihrem Amtsantritt besonders „liebevoll“ betreut; die Union, so kann man das zusammenfassen, hält Maren Brandenburger schlichtweg für unfähig, den Verfassungsschutz zu führen.

Eine Polizistin bewacht während der Razzia die DIK-Moschee in Hildesheim
Eine Polizistin bewacht während der Razzia die DIK-Moschee in Hildesheim
Quelle: dpa

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Sicherheitslücken in der Terrorabwehr soll diese These möglichst stützen – das wäre, passend zu den zum Jahreswechsel 2017/2018 anstehenden Landtagswahlen, ein echter Coup. Und würde auch den bisher einigermaßen unangefochten agierenden Innenminister Pistorius, dessen Politik sich im Übrigen nicht so wesentlich von der seines Amtsvorgängers Schünemann unterscheidet, unter Druck setzen.

Insofern ist es also wenig verwunderlich, dass sich SPD und CDU in Niedersachsen an diesem Freitag ein Wortgefecht liefern, in dem sich die beiden Parteien gegenseitig in die Nähe des Landesverrats rücken.

„Misserfolg der Presse in die Schuhe geschoben“

So fordert der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Grant Hendrik Tonne, die CDU auf, die Rolle seines Unionskollegen Jens Nacke beim „Verrat des bevorstehenden Polizeieinsatzes“ zu klären. „Wir fordern Aufklärung. Es sind offensichtlich interne Informationen vorab verraten worden, und wir wollen wissen, von wem“, schreibt Tonne unter Bezugnahme auf eine Presseerklärung, die Nacke noch vor Beginn der Razzia in Hildesheim herausgegeben hatte.

Darin hatte sich der Christdemokrat auf den Vorabbericht der Zeitung bezogen und den geplanten Einsatz als Bestätigung für die Notwendigkeit des von ihm selbst maßgeblich betriebenen Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gewertet. Erst das Einsetzen dieses Ausschusses habe „Bewegung in die Bekämpfung islamistischer Umtriebe“ gebracht, sagt Nacke.

Auch der Unionspolitiker legt an diesem Freitag in gewohnter Grobheit nach: Er wirft dem SPD-Innenminister vor, die Razzia erst „über einen ungewöhnlich langen Zeitraum vorbereitet“, dann „völlig überhastet“ durchgeführt und schließlich einen „möglichen Misserfolg der Presse in die Schuhe geschoben“ zu haben. Die CDU-Fraktion werde die Vorgänge parlamentarisch aufarbeiten. Die Bürger dürfen inzwischen darauf hoffen, dass zwischen Harz und Heide nicht einmal wirklich etwas passiert.

„Salafistenszene hat sich in den letzten vier Jahren verdoppelt“

Die Salafistenszene in Deutschland wächst rasant. In den letzten vier Jahren habe sich die Zahl der Salafisten verdoppelt, so Hans-Georg Maaßen vom Verfassungsschutz. Im N24-Studio spricht Maaßen über die Gefahr der Gruppierung.

Quelle: Die Welt

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