In seiner Heimat ist er jetzt ein Star. Fünf Minuten und einen TV-Auftritt hat Nong Pee Anfang Januar gebraucht, um Millionen zu begeistern. Mit schnellen Schritten betrat der Siebenjährige Anfang Januar die Bühne einer Talentshow, schaute entschlossen in die Kamera und jagte den Fußball aus zehn Metern mit Vollspann an die Latte des aufgestellten Tors. Vier Mal nacheinander, ohne Fehlschuss. Die Gäste im Publikum sprangen johlend von ihren Sitzen auf und klatschten ungläubig Beifall. Nong Pee, kurze Haare und hagere Figur, streckte seine Zunge heraus und lachte.
Der thailändische Schüler gilt als Wunderkind am Ball. „Ich habe noch nie ein Talent mit so außergewöhnlichen Fähigkeiten gesehen“, sagt Sombat Leekumnerdthai, Pees Direktor an der Fußballakademie Inter Thailand, „er ist mit sieben schon besser als unsere 15-Jährigen.“ Videos von Pees Dribblings, seiner Sprints und seiner imposanten Schusstechnik haben auf Youtube über zehn Millionen Klicks gesammelt. Auch in England ist man aufmerksam geworden.
Meister Leicester City, geführt vom thailändischen Eigentümer Vichai Srivaddhanaprabha, hat einen Trainer nach Bangkok geschickt, um Pee an einer Fußballakademie zu trainieren. Am liebsten würde der britische Topklub den Siebenjährigen auf die Insel holen, er selbst träumt vom thailändischen Nationalteam. Beides ist derzeit nicht möglich. Denn Nong Pee besitzt keinen Pass.
Der Sohn einer Köchin und eines Hausmeisters ist staatenlos. Genau wie rund 500.000 andere Menschen in Thailand, darunter seine Eltern, die ursprünglich der ethnischen Mon-Gruppe aus Myanmar angehören. Seit knapp 15 Jahren leben sie nun legal in Bangkok, wo sie zunächst einer Thailänderin als Hausangestellte halfen. Da Thailand die UN-Konvention aus dem Jahr 1951 für Flüchtlinge und staatenlose Menschen nicht ratifiziert hat, besitzt Nong Pee im Gegensatz zu Staatsbürgern keinen automatischen Anspruch auf Grundrechte wie Bildung oder den Zugang zum Gesundheitssystem.
Ohne Staatsbürgerschaft kann er seinen Traum vom Nationalteam nicht verwirklichen, ohne Reisedokument kann er nicht nach England zu Leicester City fliegen. Nong Pee ist derzeit gebunden an seine Heimat Thailand, das Land, das er so liebt. “Mein Ziel ist es, für das thailändische Nationalteam zu spielen und ich werde alles geben, um das zu erreichen“, sagt der Siebenjährige in einem Interview auf Youtube. Strahlend rennt er über den Rasen, dribbelt den Ball mühelos durch die Hütchen, die Trainer dicht hintereinander im Slalomparcours aufgestellt haben.
Mit vier Jahren half er seinem Vater bei der Feldarbeit
Das Talent ist noch zu jung, um zu realisieren, wie schlecht seine Aussichten auf einen thailändischen Pass stehen. Surapong Kongchantuk, der sich als Rechtsexperte für Migranten und staatenlose Menschen einsetzt, sagte im Interview mit der Zeitung „Today“ aus Singapur: „Bis heute hat es kein Staatenloser geschafft, eine thailändische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Ganz egal, wie viel er für das Land geleistet hat.“
Nach Pees großem Auftritt in der thailändischen TV-Show meldeten sich Fußballvereine aus Myanmar, die das Talent in die Heimat seiner Eltern zurückholen wollten. Der Junge hat alle Anfragen abgelehnt, er besteht darauf, dass Thailand seine Heimat ist, der Ort, wo er hingehört und leben möchte.
Derzeit trainiert der Siebenjährige auf der renommierten Fußballakademie Leekumnerdthais und besucht parallel die erste Klasse. Bildung, die Pee dringend braucht, falls es mit der Traumkarriere auf dem Rasen nicht klappt. Als er vier Jahre alt war, nahm ihn sein Vater zur Arbeit mit, wo das Kind auf dem Feld aushelfen musste. Schon damals bildete sich in den Pausen regelmäßig ein Kreis staunender Arbeiter um Pee, wenn er mit seinem Fußball Kabinettstückchen vorführte.
Monate später kam das Angebot der Akademie, Talentspäher waren aufmerksam geworden: „Für einen vierjährigen Jungen hatte er etwas sehr Besonderes“, sagt Direktor Leekumnerdthai, „seine Energie und sein Ehrgeiz waren greifbar. Ich wusste, dass ich ihm eine Chance geben musste und das tat ich dann auch.“
Leicester City investiert viel Geld in Pees Karriere
Englands Meister Leicester City teilte mit, dass man Pee auf dem Weg zum Profi mit allen Möglichkeiten unterstützen wolle. „Wir wollen, dass er sich in die richtige Richtung mit der höchsten Effizienz entwickelt, sagte Vize-Präsident Srivaddhanaprabha.
Leicester City ist angeblich sogar bereit, rund 1,2 Millionen Dollar in die Weiterbildung des Talents zu investieren. Das sind die Kosten, die der Klub durchschnittlich aufwendet, um einen Jugendspieler von Pees Alter über Jahre zum Profi auszubilden. Es sei wahrscheinlich, dass Pee noch ein bis zwei Jahre in Thailand bleibe, bevor er nach England wechseln könnte, erklärte Srivaddhanaprabha.
Es scheint, als sei man beim englischen Meister zuversichtlich, einen Weg zu finden, um Pee auf die Insel holen zu können. Rechtlich gäbe es tatsächlich Möglichkeiten. Da da Talent als Staatenloser kein Land hat, das ihm einen Pass ausstellt, müsste sich der Klub mit Einwilligung der Eltern um ein geeignetes Reisedokument für den Jungen kümmern. „Mit dem entsprechenden Willen, gibt es aber von britischer Seite mehrere Möglichkeiten ihn ins Land zu holen, Stichwort „Laissez-passer“ oder Reiseausweis für Ausländer, bzw. ein entsprechendes Visum“, teilt das as Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) auf Nachfrage der „Welt“ mit. Ob die britischen Behörden das wollen, sei jedoch eine andere Frage.
Der Traum vom thailändischen Nationalteam bleibt für Nong Pee eine Illusion, doch immerhin: Der Traum von England lebt weiter.