Benjamin Netanjahu gefiel, was er in New York zu hören bekam. Auf seinem Platz nickte der israelische Premier mehrmals zustimmend, gelegentlich schien er fast fröhlich, als vorn am Pult US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal vor der UN-Generalversammlung sprach. In seinen 30 Jahren Erfahrung mit den Vereinten Nationen habe er "noch nie eine kühnere oder mutigere Rede gehört", ließ Netanjahu später mitteilen. Ihm wird vor allem zugesagt haben, wie hart Trump den Iran anging: ein "abgewirtschafteter Schurkenstaat", der nur Gewalt und Chaos exportiere, eine "korrupte Diktatur hinter der falschen Verkleidung einer Demokratie" – die USA könnten "es nicht länger zulassen, dass dieses mörderische Regime seine destabilisierenden Aktivitäten fortsetzt".

Für Netanjahu hat Trump mit seinen drastischen Vorwürfen und Drohungen gegen den Iran, noch härter gegen Nordkorea, eher am Rande gegen Venezuela und andere, "die Wahrheit über die großen Gefahren ausgesprochen, denen unsere Welt gegenübersteht". Und er habe dazu aufgerufen, "diesen entgegenzutreten, um die Zukunft der Menschheit zu sichern". In der Tat, genau das hat der US-Präsident getan, wenn man sich diesen Auftritt mit aller Macht schönreden will. Aus israelischer Sicht mag das sogar etwas leichter fallen, weil der Blick durchaus mit Recht so fest auf eine iranische Bedrohung gerichtet ist. Doch was Netanjahu mutig nennt, ist im besten Fall erschreckend dumm, viel eher aber einfach nur gefährlich irre. Insbesondere im Falle Nordkoreas.

Trump lässt es an jedem Maß fehlen

Es ist wenig dagegen einzuwenden, wenn Trump mehr als deutlich mit dem Finger auf den Iran zeigt. Wenn er dem Land vorwirft, dass es seine Ressourcen nicht nutze, um das Leben seiner Bürger zu verbessern, dass es stattdessen lieber die Hisbollah und andere Terroristen finanziere, die Diktatur Baschar al-Assads in Syrien unterstütze oder den Krieg im Jemen befeuere, dann liegt darin ein wahrer Kern. Dasselbe gilt für die Anschuldigungen gegen Nordkorea, das seine Bürger verhungern lasse und mit Folter, Mord und Unterdrückung regiere. Und dass ausgerechnet dieses menschenverachtende Regime nun nach Nuklearwaffen und den passenden Raketen strebt, ist eine der großen Gefahren unserer Zeit.

Aber Trump lässt es an jedem Maß fehlen. Das Atomabkommen mit dem Iran ist aus Sicht der Weltgemeinschaft (mit der prominenten Ausnahme Israels) und unzähliger Experten eine echte Hoffnung – trotz aller Schwierigkeiten im Detail und jeder angebrachten Skepsis. Manche sagen gar, es habe einen weiteren Krieg im Nahen Osten erst einmal verhindert. Zumindest bescheinigen alle anderen daran beteiligten Staaten: Der Iran hält sich an die Auflagen. Trump nennt das Abkommen dagegen erneut einen der "schlechtesten und einseitigsten Verträge, dem die Vereinigten Staaten jemals beigetreten sind", eine "Peinlichkeit" – und deutet damit offenbar an, dass er absolut gewillt ist, es in Stücke zu zerreißen. Ohne zu sagen, was er stattdessen zu unternehmen gedenkt. Von Diplomatie kann hier keine Rede sein.

Aber im Schatten der Nordkorea-Krise ist selbst das noch vergleichsweise harmlos. Wer geglaubt hatte, Trump habe im verbalen Krieg mit Kim Jong-Un bereits alle Waffen gezogen, wurde in New York kalt erwischt. Das Land mit "Feuer und Zorn wie es die Welt noch nie gesehen hat" überziehen zu wollen, sollte es die USA ernsthaft bedrohen, klang bereits aggressiv, doch ein wenig abstrakt. Jetzt ließ Trump wissen, wenn die USA gezwungen seien, sich oder ihre Verbündeten zu verteidigen, "dann haben wir keine andere Wahl, als Nordkorea total zu zerstören". Trump trägt das vor der UN-Generalversammlung wie eine Selbstverständlichkeit vor, den Diktator in Pjöngjang nennt er mit dem Spitznamen aus seinen Tweets: "Rocket man ist auf einer Selbstmordmission für sich und sein Regime."

Vielleicht versteht Kim diesen Humor: Man wünschte sich fast, er würde Trump als Reaktion auf die Rede Madman across the water schimpfen – den Verrückten am anderen Ufer und übrigens ein weitaus besserer Song von Elton John als Rocket man. Aber wirklich lachen könnten darüber wohl nur Zyniker. Alle anderen muss in diesen Tagen die Frage plagen, wohin eine solch enthemmte Eskalationslust auf beiden Seiten noch führen kann.

"Mehr tun" gegen Nordkorea, bloß was? Und wer?

Und genau darauf hat Trump keine Antwort gegeben, nicht in New York und nirgendwo sonst. Oder genauer: Er hat nur die letzte Konsequenz benannt, sollte Kim sein Atomprogramm nicht aufgeben – absolute Zerstörung. Die andere Option – denn Trump spricht immerhin die Hoffnung aus, es könne sie geben – bleibt vage. Nur so viel deutet er an: "Das ist es, wofür die Vereinten Nationen da sind. Lasst uns sehen, wie sie sich schlagen." Die Sanktionen lobt Trump noch, fordert die (weitere) Isolierung des Regimes, doch eigentlich ist die zentrale Aussage: "Wir müssen viel mehr tun."

Bloß was? Und wer ist dieses "Wir", wenn den USA unter diesem Präsidenten jede Verantwortung jenseits der engen eigenen Interessen egal zu sein scheint? Hin und wieder weckte Trump kurz die Hoffnung, es könne auch alles ganz anders sein: Von Werten war da die Rede, von Partnerschaft, von gemeinsamem Handeln – all das gern im Rahmen der UN. Und von einem Amerika, dass seine Art zu leben niemandem aufzwinge, sondern ein leuchtendes Beispiel für andere sein wolle: "Wir wollen Harmonie und Freundschaft, nicht Konflikte und Streit." Nur, um dann wieder über einseitige Deals zu schimpfen, die den USA nicht nützten, und von America first. Angesichts seiner Vorstöße gegen den Iran und Nordkorea ist diesem Pathos ohnehin nicht zu trauen.

Trumps "Gruppe von Schurkenstaaten", die für ihn die "Geißel der Menschheit" sind, klingt schließlich doch fast vertraut. In der Erinnerung rastet das ein auf Höhe der "Achse des Bösen" (George W. Bush). Am Ende mag der heutige US-Präsident seinen beunruhigenden Nationalismus noch so sehr kaschieren, es bleibt für ihn ganz offensichtlich dabei: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns – noch einmal Bush, aber der war zumindest berechenbar.