Im April platzte die Hoffnung auf einen Multimilliardenauftrag aus Australien für U-Boote mit deutscher Technik. Das Angebot von ThyssenKrupp fand keine Zustimmung. Stattdessen bestellen die Australier in Frankreich. Doch jetzt könnte die deutsche Rüstungsindustrie in Down Under dennoch zum Zuge kommen – mit Panzern.
Australien plant unter dem Projektnamen Land 400 die komplette Modernisierung seiner Flotte von fast 700 Panzern unterschiedlicher Typen für gut 20 Milliarden Dollar. Ein Baustein – Phase 2 – ist der Ersatz der seit 1994 eingesetzten 225 Radpanzer (ASLAV) für Aufklärungs- und Überwachungsmissionen. Die Kosten für den Austausch und die spätere Wartung der neuen Radpanzer werden auf bis zu acht Milliarden Dollar geschätzt.
Das australische Verteidigungsministerium hat jetzt entschieden, dass aus einem größeren Interessentenkreis nur der deutsche Bewerber Rheinmetall Landsysteme mit seinem Boxer-Modell sowie ein britisch-finnisches Konsortium aus BAE Systems und Patria mit dem Modell AMV35 in die Endausscheidung kommen. Theoretisch haben die Deutschen damit eine 50:50-Chance. Nunmehr soll ein Jahr geprüft werden, welche Risiken in den beiden Radpanzer-Modellen stecken und was sie können. Die Entscheidung samt Vertragsabschluss wird Ende 2018 erwartet.
Australien an zahlreichen UN-Missionen beteiligt
Für Rheinmetall wäre ein Zuschlag der größte Auftrag der Firmengeschichte. Konzernchef Armin Papperger bezifferte im vergangenen Jahr das Auftragsvolumen für seinen Konzern auf rund 2,5 Milliarden Euro „mit einem Potenzial von bis zu 6,8 Milliarden Euro“.
Bei einem Zuschlag würden womöglich 50 Prozent der Leistung in Deutschland erbracht. Die Australier sind, wie beim U-Boot-Auftrag, am Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie interessiert, und Rheinmetall hat bereits erste örtliche Kooperationen verkündet.
Schon jetzt ist klar, dass die Radpanzer künftig keineswegs nur in Australien rollen. Mit rund 55.000 Soldaten hat die Armee des Kontinents zwar nur grob ein Drittel der Truppenstärke der Bundeswehr, ist aber weltweit an zahlreichen UN-Missionen beteiligt. So waren die geschützten ASLAV-Radpanzer der Australier bereits im Krieg im Irak, in Afghanistan oder in Ost-Timor eingesetzt. Die jahrzehntealten Panzer hätten inzwischen nicht mehr den notwendigen Schutz für die Einsätze, heißt es bei australischen Militärs.
Mit US-Rüstungsriesen Northrop Grumman verbündet
Rheinmetall argumentiert, dass der auch bei der Bundeswehr eingesetzte Radpanzer Boxer einsatzerprobt sei. Für die Australier wird er mit einem sogenannten Zwei-Mann-Lance-Turm angeboten, dessen Kanone 30 Millimeter-Geschosse abfeuern kann.
Zudem hat sich Rheinmetall für diese Ausschreibung mit dem großen US-Rüstungskonzern Northrop Grumman für das Elektronik-Innenleben des Panzers verbündet. Wie bei den U-Booten setzt Australien auch bei der Panzer-Elektronik auf US-Technik. Um bei den australischen Soldaten den Namen Rheinmetall bekannter zu machen, sponsert der deutsche Konzern über seine Australien-Tochter eigens ein Rugby-Team der Militärs.
Dabei ist der Düsseldorfer Konzern bereits dick im australischen Rüstungsgeschäft vertreten – mit Militär-Lkw. Im April wurden als Startschuss für einen Riesenauftrag die ersten zwölf Exemplare in Brisbane übergeben. Über die Tochter Rheinmetall MAN Military Vehicles Australia (RMMVA) werden in den nächsten Jahren über 2500 gepanzerte und ungepanzerte logistische Militärfahrzeuge geliefert.
Das Rennen ist eröffnet
Für Rheinmetall mit 5,2 Milliarden Euro Gesamtumsatz (2015), der sich aus den gleich großen Geschäftssäulen Automobiltechnik sowie Rüstung speist, ist Australien ein Zukunftsmarkt im Militärgeschäft. Der Düsseldorfer Konzern verweist in aktuellen Präsentationen auf eine Renaissance der weltweiten Rüstungsmärkte. In einer Analyse der Schweizer Großbank UBS heißt es beispielsweise, dass der Rheinmetall-Militärumsatz bis 2019 um rund ein Drittel zulegen könnte – da wäre ein Zuschlag aus dem möglichen Australien-Panzer-Auftrag noch gar nicht dabei.
Aber auch das britisch-finnische Industrieteam aus BAE Systems und Patria macht sich als Konkurrent der Deutschen Hoffnungen auf den Panzer-Auftrag. Bei einem Zuschlag werde BAE Systems den Radpanzer AMV35 in Australien herstellen, heißt es in einer Mitteilung der Briten zur Auswahl in die Endrunde. Drei Test-Panzer stünden für die Bewertungsprüfungen schon bereit.
Der AMV-Panzer von Patria hat zwar international weit mehr Kunden als der bislang in Deutschland und den Niederlanden eingeführte Boxer. Dennoch ist das Rennen offen: Litauen entschied sich beispielsweise Ende 2015 für den Boxer – und gegen den skandinavischen Radpanzer.