"Welches Rad ist meins?", fragt Pekka Tahkola und grinst verschmitzt. Vor uns stehen zehn einfache Stadt- und Trekkingräder. Mit einem von ihnen fährt Tahkola selbst bei Schnee und Minusgraden durch seine Heimatstadt Oulu im Norden Finnlands. Damit ist der 34-Jährige keine Ausnahme. Auch Kinder und Rentner meistern dort im Winter ihre Wege auf ganz normalen Alltagsrädern.

In der mit knapp 200.000 Einwohnern nördlichsten Großstadt der EU sind im Winter rund zwölf Prozent aller Verkehrsteilnehmer mit dem Fahrrad unterwegs, im Sommer sind es über 30 Prozent. Davon träumen viele deutsche Städte. Tahkola ist überzeugt: "Minustemperaturen hindern niemanden am Radfahren" – ein schlechter Winterdienst und eine miese Infrastruktur dagegen schon. Oulus Standards machen es den Menschen in der Stadt aber leicht, sich selbst bei kniehohem Schnee fürs Rad zu entscheiden.

In Oulu ist es ähnlich wie in Kopenhagen und den Niederlanden. Schon in den 1970er Jahren beschlossen die Politiker, auch den Radverkehr zu fördern und nicht nur das Auto. Das Fahrrad sollte ein gleichwertiges Verkehrsmittel werden. Es bekam ausreichend Platz, die Nutzer erhielten ein durchgängiges Radwegenetz. Heute ist es 845 Kilometer lang und jährlich kommen rund 16 Kilometer hinzu. Der größte Teil der Radwege ist beleuchtet. Das erleichtert das Radfahren in den Wintermonaten. An stark befahrenen Straßen gibt es Unterführungen für Radler und Fußgänger. Im gesamten Stadtgebiet sind es zurzeit etwa 200.

Die Wege sind zwischen 3,5 und 6 Meter breit und überwiegend vom Autoverkehr getrennt. Das ergibt im Winter mehr Sinn als aufgemalte Radstreifen auf der Fahrbahn, die sonst monatelang vom Schnee verdeckt werden. Zwischen den Radwegen und den Fahrspuren für die Autos verlaufen zudem breite Grünstreifen. Das ist extrem praktisch, denn dort wird der Schnee aufgehäuft. So nimmt er weder Auto- noch Radfahrern Platz weg.

Entscheidend ist für Tahkola jedoch der Winterdienst. Die Räumfahrzeuge rücken je nach Bedarf rund um die Uhr aus. Der Winterdienst ist auch nachts um zwei unterwegs, um die Wege für die Radfahrer vorzubereiten. "Bei Schneefall werden alle Radwege morgens vor 7 Uhr präpariert", sagt Tahkola.

Die Fahrzeuge sind dafür über die Jahre für diesen Zweck perfektioniert worden. Die Schaufeln besitzen stumpfe Eisenpickel, die die Schneedecke aufrauen. Es geht nicht darum, die Wege vom Schnee zu befreien, sondern die Wege so zu bearbeiten, dass Radfahrer dort gut vorankommen. "Wir pflügen die Schneedecke regelrecht, sodass eine harte, raue Schneedecke entsteht, die bis zu 5 Zentimeter dick ist", erklärt Tahkola.