Hi Gott,

wir müssen reden. Über Sex mit Ziegen. Und was das mit der Liebe zu dir zu tun hat.

In meiner Generation wird hemmungslos geliebt und auch darüber gesprochen: über offene Liebe, über Männer, die Männer lieben, Frauen, die Frauen lieben, manche, die beide lieben, manchmal sogar gleichzeitig. Wir lieben die mit dem Tinderdate durchtanzte Nacht, lieben uns spontan, geplant, nur mal so, with benefits, lieben unseren Job, unsere neue Wohnung, unsere Freunde, unsere Mitbewohner.

Und wenn einer am Küchentisch erzählen würde, dass er seit Kurzem Sex mit Ziegen hat, würde er wahrscheinlich ein anerkennendes Nicken bekommen und zumindest ein gerauntes "interessant".

Nur über die Liebe zu Dir spricht niemand.

Das wollte ich mit diesem Text eigentlich ändern. Ich wollte mit gutem Beispiel vorangehen und schreiben, wie wichtig Du mir bist. Und erklären, warum ich Dich liebe, öffentlich. Ich wollte ein Glaubensbekenntnis schreiben, das ein bisschen pathetisch ist, lustig und schlagfertig, das Gänsehaut macht und einen am Ende sagen lässt: Das war schön.

Kann ich aber nicht.

Weil ich die letzten Jahren kaum an Dich gedacht habe. Ich bin 26, getauft, konfirmiert, ich habe in Religion mein Abi geschrieben, hätte fast mal Theologie studiert und glaube an Gott. Dachte ich. Aber ich rede nie über meinen Glauben, so wie vier Fünftel der Jungen, laut einer Studie der Evangelischen Kirche. Ich bete auch nicht, so wie fast drei Viertel.

Zum letzten Mal war ich an Ostern im Gottesdienst. Ich habe, wie die meisten in meinem Alter, keine Ahnung, wie mein Pfarrer heißt, und musste für diesen Text das Glaubensbekenntnis googeln. Nur ein Viertel meiner Generation glaubt an dich. Ein weiteres Viertel ist unsicher, so wie ich. Und ein weiteres Viertel glaubt an eine höhere Macht, die man aber nicht so genau definieren kann.

Herr S. liebte Dich und das Leben. Das war mir neu.

Du kommst in Deutschlands WG-Küchen nur vor, wenn stolz erzählt wird, dass man keinen Bock mehr auf die Kirchensteuer hat und endlich aus der Kirche ausgetreten ist. Wobei das vielleicht weniger mit Dir zu tun hat als mit der Kirche: 83 Prozent der jungen Deutschen vertrauen ihr wenig oder gar nicht. Fast ein Fünftel der Protestanten zwischen 14 und 29 hat fest vor, aus der Kirche auszutreten. Ein weiteres Viertel denkt darüber nach. Ich habe auch in diesen WG-Küchen gesessen, in denen über die Kirche hergezogen wurde. Ich wurde dann still und sagte nichts, schon gar nichts zu meiner Liebe zu Dir.

Dabei waren wir uns mal so nah, Du und ich, kurz vor meinem Abitur, dank Herrn S.*. Herr S. war mein Religionslehrer. Er rauchte Kette, hatte lange graue Haare und fuhr zwar kein Motorrad, sah aber so aus. Er sagte, ihr geht mir auf den Sack, wenn wir ihm im Unterricht auf den Sack gingen. Und als wir ihn fragten, warum er an Dich glaube, erzählte er uns eine Geschichte von sich, seiner Frau und Dir: Sie habe mit ihm wandern gehen wollen und er hasste Wandern. Da habe er zu Dir gebetet und gesagt: Herr, mach, dass es morgen regnet. Und? "Es hat geregnet und ich habe den Herrn gelobt, weil ich nicht wandern musste, sondern gleich mit ihr in die Kiste konnte." Das war Herr S., er liebte das Leben und er liebte Dich. Diese Kombination war mir damals neu.

Hand hoch, wer glaubt an die Auferstehung?

In der Grundschule hatten wir die Arche Noah gemalt und ich war in einem Bibelkreis für Kinder, von dem meine intensivste Erinnerung ist, wie ich an meiner Mutter hänge, weil ich keine Lust hatte, hinzugehen. Auf meine Konfirmation habe ich mich nur gefreut, weil ich mir endlich einen iPod kaufen konnte, aber was der christliche Glaube bedeutete, verstand ich nicht.

Einmal kam Herr S. nachmittags mittelgut gelaunt in den Unterricht und rief uns zu: Hand hoch, wer glaubt an die Auferstehung? Als zögerlich ein paar Hände hochgingen, so wie das bei Schülern immer ist, wenn sie nicht sicher sind, was die richtige Antwort ist, sagte er: Wenn ihr nicht an die Auferstehung glaubt, könnt ihr jetzt nach Hause gehen. Wir blieben sitzen, wenn auch mehr aus Angst als aus Überzeugung. Dann schlug er seine Ledertasche aufs Pult, setzte sich hin und erklärte uns, was Auferstehung bedeutet.

"Die Auferstehung macht uns erst zu Christen!", rief Herr S. Denn mit ihr zeige sich, dass der Gott, von dem Jesus erzählt hatte, existiert. Jesus hatte vor seinem Tod von einem Gott erzählt, der nicht straft, sondern barmherzig ist. Einem Gott, der die Menschen liebt und sie auffordert, ein Leben in Liebe zu führen, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, sogar seine Feinde zu lieben. Von einem Gott, der aber wusste, wie schwer das ist, weil Menschen fehlbar sind. Und der trotzdem vergibt.

Die Menschen haben Gottes Sohn, der Leben und Liebe predigte, umgebracht. Und was tat dieser Gott? Er ließ Jesus wieder auferstehen, demonstrierte seine Macht über Leben und Tod, zeigte, dass er existierte. Aber er nutzte seine Macht nicht, um sich zu rächen, obwohl er jeden Grund dafür gehabt hätte. Stattdessen vergab er den Menschen. Uns.