Also gut, nennen wir die Berlinale subversiv. Sie gibt sich politisch und an den gesellschaftlichen Zuständen dieses Landes, ja, der ganzen Welt interessiert; in diesem Jahr etwa hat sie ein ganzes Maßnahmenpaket zur sogenannten Flüchtlingsproblematik geschnürt. Doch insgeheim strebt sie danach, ihr Publikum gut zu unterhalten.

Die Wahl des diesjährigen Eröffnungsfilms ist der beste Beleg. Da kommen die Brüder Ethan und Joel Coen aus Amerika, dem Kernland des Kapitalismus, und bringen einen Film mit, der zu den Hochzeiten des Kapitalismus in der Hochburg des Kapitalismus spielt, im Hollywood der 50er Jahre, genauer gesagt in einem Filmstudio des Jahres 1951, aus dem der Star Baird Whitlock (George Clooney) von einer Gruppe kommunistischer Drehbuchschreiber entführt wird, die sich aus überbordendem Optimismus (oder Verblendung) heraus "Die Zukunft" nennt. Systemkritik also.

Aber in Wahrheit geht es darum, George Clooney dabei zuzusehen, wie er sich für die Coens wieder aufs Gekonnteste zum Deppen macht, und anschließend auf den roten Teppichen rund um den Berlinale Palast die Journalistinnen und Journalisten mit einem Lächeln bezirzt und charmant darauf hinweist, wie verheiratet er jetzt ist und dass er morgen Angela Merkel trifft. That’s Berlinale, yeah! In diesem Sinne ist Hail, Caesar! ein überaus gelungener Auftakt.

Berlinale Eröffnungsfilm - "Hail, Caesar!" (Ausschnitt)

Gut geölte Bühnentechnik

Im Zentrum steht der Studio-Chef Eddie Mannix (Josh Brolin). Er sorgt nicht nur für den passenden Ersatz, wenn ein Schauspieler ausfällt, und dafür, dass ein Drehtag in der Wüste trotz Regen nicht nutzlos – und somit kostenintensiv – verstreicht, sondern er kümmert sich auch höchst persönlich darum, dass ein Starlett keine privaten Dirndl-Fotos von sich schießen lässt, ein uneheliches Kind keinen Skandal auslöst, sich die Cutterin nicht an ihrem eigenen Halstuch stranguliert und die Klatschpresse kriegt, was sie will. Kurz: Mannix ist das Mädchen für alles und der Babysitter für alle. Dass sein Star entführt wird und eine Summe von 100.000 Dollar als Lösegeld gefordert wird, ist da nur eines von vielen Problemen, die er an einem gewöhnlichen Arbeitstag zu lösen hat.

Mannix ist eine typische Coen-Figur: ein rechtschaffener Mann, der stolz auf seinen Job ist und sich redlich und buchstäblich rund um die Uhr bemüht, das Richtige zu tun. Doch wie jeder ihrer Hauptfiguren behält auch Mannix trotz seiner herausgehobenen und privilegierten Position im Studio nicht die Kontrolle über das, was passiert. Die Pläne der anderen und ihr Handeln lassen ihn zu einem Getriebenen werden. Den Rest erledigt der Zufall.

Wir kennen das von den Coens: Ihre Geschichte schnurrt ab wie gut geölte Bühnentechnik. Ihre Figuren tun, was sie können, und der Zuschauer erkennt: Alles Streben ist sinnlos, niemals werden wir die Parameter beherrschen, die unser Leben bestimmen. Also lachen wir besser darüber. Immerhin – und durchaus untypisch für die Coens – endet das Ganze diesmal halbwegs glücklich für alle.

Oscar-so-white ist weit

Davor bekommen wir Darsteller und Szenen serviert, die so akkurat und appetitlich angerichtet sind wie die Toasts, die Whitlock nach seiner Entführung in der Villa der Kommunisten zum Tee gereicht werden: Scarlett Johansson als übelgelaunte Wasserballettratte, Channing Tatum als steppender Leichtmatrose, Tilda Swinton in einer Doppelrolle als zwei Reporterinnen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Und wenn Alden Ehrenreich als Cowboy über Pferde und Bäume turnt, wird auch endlich wieder mal deutlich, wie sehr die Bildsprache der Coens an Cartoons dieser Epoche erinnert. Jedes Detail also ganz großartig. Die Liebe der Coens zum Film umfasst eben auch den Slapstick.

Hail, Caesar! ist bei weitem nicht so fein ziseliert wie es Inside Llewyn Davis oder gar Barton Fink waren, obwohl die ja auch irgendwie den Widerstreit zwischen Kunst und Kommerz zum Thema hatten und verhandelten, wie das eine vom anderen aufgefressen wird (Barton Fink) beziehungsweise wie sich die Kunst ganz kunstvoll selbst im Weg zum Erfolg stehen kann (Inside Llewyn Davis).

Diesmal geht es sehr vordergründig um die Produktionsbedingungen Hollywoods zu einer Zeit, als an Oscar-so-white- und Gender-pay-gap-Debatten in Hollywood schlichtweg niemand dachte. Man jagte Kommunisten und ihr als systemzersetzend erachtetes Gedankengut. Doch gejagt wird in Hail, Caesar! nur wenig und die schlimmste Bestrafung fürs Äußern kommunistischer Sympathien bleiben ein paar Backpfeifen. Abgesehen von einer bestenfalls niedlich wirkenden Anekdote eines der Drehbuchschreiber, der versucht, kommunistische Ideen in die High-Society-Dramen, Western und Meeres-Extravaganzen einzuschreiben, die er und seine Kollegen abzuliefern haben, abgesehen davon bleibt das Gedankengut von Marx bis Marcuse in Hail, Caesar! Salongeplauder für Herren, die ihren Toast gerne ohne Rinde essen. Sie haben keinen gesellschaftlichen Umsturz herbeigeführt.

Nicht mal ein Umdenken in puncto Gleichverteilung, so scheint es, konnten sie mit ihrer Arbeit bewirken, denn heute wissen wir: Drehbuchschreiber werden noch immer äußerst mies entlohnt.