Es ist ein sonniger Wintermorgen in Soweto, Südafrika, die Gäste von Lebo's Backpacker Hostel sitzen im Pullover im Garten und frühstücken. Der Kaffee ist malzig, das Müsli voller Nüsse, es schmeckt. In wenigen Minuten kommt Phillip Malepa, um die Touristen abzuholen. Er wird ihnen die South Western Townships zeigen, wie Soweto im Südwesten Johannesburgs offiziell heißt, es ist seine Heimat.  

Der Kies im Hostelgarten ist geharkt, zwischen den Holztischen stehen meterhohe Schilfstauden. Auf dem Grundstück gegenüber treibt ein Hirte seine Kühe über das Gras. Zäune gibt es hier nicht. Mordhauptstadt Johannesburg? No-go-Area Soweto? Davon ist nichts zu spüren. Stadtführer Phillip Malepa kommt zu Fuß, ein jugendlich wirkender Schlaks Ende 20, und zu Fuß wird er auch seine Gäste durch die Straßen des Viertels Orlando führen.

Es ist ein Gang zwischen Geschichte und Gegenwart. Vor 40 Jahren, am 16. Juni 1976, verübte die Polizei des Apartheidstaates hier eines der brutalsten Massaker in der Geschichte des Landes. In ihren Schuluniformen waren weit mehr als 10.000 schwarze Schüler auf die Straße gegangen, um gegen die geplante Einführung von Afrikaans, der Sprache ihrer weißen Unterdrücker, als Unterrichtssprache zu demonstrieren. Das Regime antwortete mit Waffengewalt. Mehr als 600 Schüler wurden erschossen, so steht es auf der Tafel am Erinnerungsstein auf dem Hector Pieterson Square. Das Bild des sterbenden Hector, der von einem Mitschüler getragen wird, ging um die Welt. Er war 13 Jahre alt.

Während des Aufstands wurden auch Tausende Schüler verletzt, unzählige weitere in der Folgezeit verhaftet und gefoltert, zu Tode geprügelt oder von Hochhäusern geworfen. "Auf Seife ausgerutscht" oder "aus dem Fenster gesprungen" stand dann in den Berichten der Polizei, die nach dem Massaker lediglich 23 Todesopfer gezählt haben wollte.

Das neue Südafrika

Dieses Südafrika gibt es nicht mehr, 1994 endete die Apartheid und der 16. Juni wurde ein gesetzlicher Feiertag. Seither ist Soweto auch eine Metapher für den Widerstand gegen das rassistische Regime. Malepa, mit seinen 28 Jahren kaum älter als die südafrikanische Demokratie, führt seine Gäste natürlich zu den Denkmälern, die daran erinnern. Er zeigt ihnen auch die Olivenbäume, die dort gepflanzt wurden, wo vor 40 Jahren das Blut von Schülern floss. Aber Malepa will vor allem sein Soweto erklären, das von heute.

Seine Vita ist mit der Südafrikas verknüpft. Geboren wurde er im Nachbarland Botswana. Seine Eltern, damals beide Mitglieder des bewaffneten Arms des heute regierenden African National Congress (ANC), bereiteten sich dort auf den gewaltsamen Sturz des Apartheidregimes vor. Dazu kam es nicht. Denn als der ANC 1990 wieder zur legalen Organisation erklärt wurde, kehrten die Malepas zurück. Ihr Sohn Phillip war damals drei Jahre alt.

Nach ein paar Gehminuten entlang einstöckiger Häuschen mit kargen Vorgärten sieht man das ehemalige Kohlekraftwerk von Orlando. Während der Apartheid versorgte es Johannesburg mit Strom und deckte Soweto mit Smog ein. Heute sind die Kühltürme zum Wahrzeichen der Veränderung geworden, sie sind bunt: Auf einem prangt Werbung, auf dem anderen das größte Wandgemälde des Landes. Von einer kleinen Hängebrücke, die die beiden 33-stöckigen Riesen verbindet, stürzen sich seit 2009 Bungee-Springer. Soweto ist längst auch hip.