Der Makler kann sich seiner Sache sicher sein. Für dieses Objekt findet er Nachmieter. Für die Zweizimmer-Altbauwohnung in Berlin Pankow sind noch drei Bewerberinnen übrig. Sie hören sich die Details des Deals an: In dieser Straße, wo die ortsübliche Vergleichsmiete laut Online-Abfrage für eine Wohnung gleicher Größe bei 340 Euro kalt liegt, sollen sie 680 Euro kalt zahlen, warm wären das 780 Euro. Die Vormiete habe 50 Euro weniger betragen. Hinzu käme Gas für die Etagenheizung und Warmwasser sowie Stromkosten, also rund 900 Euro monatlich. Es gilt eine Staffelmiete, die über zehn Jahre hinweg jährlich um 2,5 Prozent erhöht werde.

So weit, so üblich. Bemerkenswert aber ist: Die Wohnung wird, wie viele andere im Kiez, ausschließlich teilgewerblich angeboten. Das heißt: Einer der beiden Räume wird als Gewerberaum vermietet. Auch die Vormieter hatten diesen Deal, der gut ist für den Vermieter ist, weil er in der Gesamtmiete einen Gewerbezuschlag verstecken kann. Für den Mieter kann es auch interessant sein, wenn er den einen Raum steuerlich absetzen kann. Doch die drei Bewerberinnen haben weder einen Gewerbeschein, noch wollen sie hier im vierten Stock tatsächlich ein Gewerbe ausüben. Sie wollen endlich eine Wohnung finden.

"Weshalb wird die Wohnung denn teilgewerblich vermietet?", fragt eine Frau. "Einerseits gibt es eine große Nachfrage von Kreativen und Freischaffenden", sagt der Makler, "andererseits kann der Vermieter damit die Mietpreisbremse umgehen."

Mit Tricks wie diesen versuchen Vermieter in vielen deutschen Städten die seit Juni 2015 geltende Mitpreisbremse für sich unwirksam zu machen. Eigentlich dürfen Neuvermietungen seitdem nur noch bis maximal zehn Prozent über das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmieten steigen. Doch besonders Menschen, die eine Wohnung in den gefragten Großstädten suchen, spüren von gebremsten Mietpreisen kaum etwas.

Mal widmen Besitzer ihre Wohnungen in befristet vermietete, möblierte, angebliche Luxusappartements um. Mal drängen sie Leute dazu, Gewerbemietverträge zu unterschreiben. Mal modernisieren sie, um drastische Mieterhöhungen zu rechtfertigen. Vielerorts aber gilt für viele Vermieter schlicht die Regel: ignorieren und kassieren, weil die Mieter ohnehin bezahlen und froh sind, etwas gefunden zu haben.

Versteckter Gewerbezuschlag in der Gesamtmiete

Der Berliner Mieterverein klagt, seit der Mietpreisebremse würden immer häufiger teilgewerbliche Wohnungen angeboten, um höhere Mieten zu verlangen. "Das Problem ist der sogenannte Gewerbezuschlag", sagt Sprecher Reiner Wild. "Die Vermieter können dafür letztlich Fantasiepreise erheben, solange sie nicht sittenwidrig sind." Zwar sind sie gesetzlich verpflichtet, die Vormiete offenzulegen. Aber nur, wenn der neue Mieter das schriftlich einfordert. In Berlin würden sogar für Kellerräume gesonderte Mietverträge abgeschlossen, sagt Wild. "Der Keller ist dann Gewerberaum und der Vermieter kann den Extra-Aufschlag an der Mietpreisbindung vorbei kassieren."

Zielgruppe solcher teilgewerblichen Vermietungen sollen Kreative und Freischaffende sein. Ein Laptop reicht ja schon für ein Home Office. Aber können Freischaffende eine teilgewerbliche Wohnung wirklich absetzen, so dass sich der Preis oberhalb der Vergleichsmieten überhaupt lohnt? Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen warnt auf ihrer Webseite: "Unter Ausnutzung der Unkenntnis einiger Wohnungssuchender" würden gelegentlich Wohnungen zur "teilgewerblichen Nutzung" vermietet. Der Gewerbezuschlag könne die Miete weit über den Mieten vergleichbarer – ausschließlich zur Wohnungsnutzung vorgesehener – Wohnungen treiben.

Bei der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin ist man verwundert über das Versprechen von steuerlichen Vorteilen. Eine Sprecherin sagt, es sei beispielsweise sehr unwahrscheinlich, in einer Zweizimmerwohnung überhaupt einen Arbeitsraum absetzen zu können. Das Finanzamt prüfe auf Plausibiltät und gehe von einem Schlaf- und einem Wohnraum aus. Am Ende könnten die mit Steuervorteilen angelockten teilgewerblichen Mieter also auf der teuren Miete sitzen bleiben. Ist der Zuschlag einmal vereinbart,  muss er auch gezahlt werden, egal ob die Wohnung später tatsächlich teilgewerblich genutzt wird oder nicht. Entscheidend ist allein die Möglichkeit der teilgewerblichen Nutzung.

Modernisieren, um zu vertreiben

Neben solchen verschleiert überhöhten Mieten gibt es auch legale Ausnahmen von der Mietpreisebremse. Um Investitionen in Neubauten oder in energetisches Sanieren nicht zu bremsen, greift das Gesetz hier bewusst nicht. Das wird aber offenbar oft ausgenutzt. "Bei uns in München gibt es das Phänomen des Herausmodernisierens", sagt Beatrix Zurek, Vorsitzende des Münchner Mietervereins. Besonders alte Menschen und junge Familien mit wenig Einkommen würden durch plötzliche Modernisierungen vertrieben. "Investitionen in Modernisierungen werden komplett auf die Mieter abgewälzt ", sagt Zurek. Jedes Jahr aufs Neue können Vermieter so elf Prozent der Kosten auf den Mietpreis schlagen – wegen der resultierenden Wohnwertsteigerung selbst dann noch, wenn die Investition längst bezahlt ist. 

Auch in der Berlin sind solche Praktiken offenbar üblich. Hier protestieren verschiedene Mieterbündnisse seit Wochen gegen die Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen AG – ein börsennotiertes Unternehmen mit Sitz in Frankfurt, dem allein in der Hauptstadt 110.000 Wohnungen gehören. Der Vorwurf zahlreicher Mieter: Die Deutsche Wohnen kümmere sich nicht um die Instandhaltung der Wohnungen – die müsste der Vermieter bezahlen –, sondern setze ausschließlich auf Modernisierungsmaßnahmen. Das führe häufig zu Mietpreissteigerungen von 50 Prozent, sagt eine Sprecherin des Bündnisses Otto-Suhr-Siedlung. Das Unternehmen wurde inzwischen vom Berliner Abgeordnetenhaus vorgeladen, um sich zu erklären.