Es ist eine nicht sehr gewagte Prognose: Das Footballteam der New York Jets wird dieses Jahr kaum ein Spiel gewinnen. Die erste NFL-Partie gegen die Buffalo Bills ging gleich mal mit 12:21 verloren. Bei den Oakland Raiders folgte ein 20:45. Deutliche Niederlagen, bei denen so einige auf die Idee kommen, das Team gebe alles, um möglichst schlecht abzuschneiden.

Seit einigen Woche wird in den USA genau darüber debattiert. Der Vorwurf: Das Management des Teams möchte offenbar verlieren. Führt den sportlichen Wettbewerb also ad absurdum. Dafür gibt es einige Indizien. Vor der Saison etwa haben die New Yorker einige erfahrene Kräfte des Teams abgegeben, etwa Darrelle Revis, Eric Decker und Brandon Marshall. Gleichwertiger Ersatz wurde dagegen nicht verpflichtet. Das Team hat sich also verschlechtert. Und das, obwohl die Jets schon in den vergangenen sechs Jahren die Play-offs verpasst hatten.

Öffentlich gibt es niemand zu

Was die Jets betreiben nennt man tanking. Im Kern geht es darum, die Saison möglichst als schlechtestes Team zu beenden. Dann nämlich bekommt man im kommenden Jahr das erste Auswahlrecht, wenn es in der sogenannten Draft darum geht, sich die vielversprechendsten neuen Talente herauszupicken. Mit diesem beinahe sozialistischen Element im US-Sport soll die sportliche Ausgeglichenheit der Liga bewahrt werden.

Tanking ist längst Praxis im US-Sport. Vor allem in der Basketball-Liga NBA war es in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten. Öffentlich gibt natürlich niemand zu, absichtlich zu verlieren. "Ich glaube wirklich nicht, dass irgendein Team tanked. Ich denke, sie gehen durch eine Phase von Veränderungen", sagte der Ligachef Roger Goodell dem Sportsender ESPN. "Ich tanke gar nichts", sagte der Jets-Spieler Sheldon Richardson dem NJ-Magazin.

Natürlich wollen die Spieler und Trainer nicht verlieren. Sie geben möglicherweise sogar ihr Bestes. Für sie geht es auch um persönliche Schicksale, Verträge und letztlich Geld. Aber aus Sicht der Manager, die am Ende ein absichtlich nicht gerade konkurrenzfähiges Team zusammenstellen können, ist Tanking ein einfacher Weg zurück zum Erfolg. Lieber ein paar Jahre richtig mies sein und sich dann belohnen, als über viele kleine Schritten nach vorne zu kommen.

Objekt der Begierde: Ein neuer Quarterback

Bei der Kaderzusammenstellung gibt es noch einen zweiten limitierenden Faktor: Die Gehaltsobergrenze. Grob gesprochen darf jedes Team seinen Spielern gleich viel Gehalt pro Saison zahlen. Allerdings wird nach verschiedenen Mechanismen Geld in andere Spielzeiten übertragen. Wer also 2017 nicht alles ausgibt, hat dafür 2018 mehr. Die Jets haben laut der Website Spotrac aktuell einen Cap-Space, also freies Gehalt, in Höhe von rund 19 Millionen Dollar.

Geld ist also da, jetzt muss das Team nur noch Letzter werden, um den ersten Zugriff im Draft zu bekommen. Objekt der Begierde: Ein neuer Quarterback. Der Spielmacher hat im Football eine elementare Rolle. In kaum einem anderen Mannschaftssport machen einzelne Spieler solch einen großen Unterschied. Gute Quarterbacks können mit schlechten Mitspielern immer noch ordentliche Ergebnisse erzielen. Wie etwa Matthew Stafford, der bei den Detroit Lions zum bestbezahlten Footballprofi wurde.

Weil ein Quarterback einen so großen Unterschied machen kann, halten die NFL-Teams in den Colleges Ausschau nach dem Nachwuchs. Und der ist aktuell so gut, dass das Tanking-Thema noch weiter angeheizt wird. Es gibt gleich eine Reihe vielversprechender Quarterbacks, unter denen einer noch mal besonders hervorsticht: Sam Darnold.

Eine starke Passquote, viele Touchdowns, kaum Fehlpässe.  Dazu ein Posterboy-Lächeln und Schwiegersohn-Look. Der 20-jährige Darnold steht längst in den Notizbüchern der NFL. Offenbar auch in dem der Jets.

Die Rechnung der New Yorker könnte also in etwa so aussehen: Diese Saison verlieren, im Frühjahr Darnold draften, den Gehaltspuffer nutzen, um gute Spieler um den Quarterback herum zu verpflichten und dann endlich wieder erfolgreich Football spielen. Viele Experten glauben, dass es so kommen könnte. Die Jets sagen dazu natürlich offiziell nichts.