Frage: Welche Erinnerungen haben Sie an Pater Jacques?
Mohammed Karabila: Ich kannte ihn, wie so viele andere hier in unserer Stadt. Er kam vor zehn Jahren zurück, um wieder hier zu leben, nach seiner Pensionierung. Er war ein freundlicher Mann, bescheiden, sehr menschlich, und er wurde auch in unserer Gemeinde geschätzt, weil er immer für alle da war, weil er zuhörte und für Solidarität zwischen allen einstand, auch mit den Muslimen und Juden. Meiner Ansicht nach ist es genau das, was eine Religion lehren sollte.
Frage: Haben Sie ihn noch vor Kurzem getroffen?
Karabila: Wir gehörten beide zu einem Komitee für den Dialog unter den Religionen, das nach dem Attentat von „Charlie Hebdo“ gegründet wurde. Im Laufe der letzten 18 Monate gab es regelmäßige Treffen mit den verschiedenen Vertretern der Stadt, und er war oft dabei. Wir diskutieren in unserer Gemeinde schon seit einiger Zeit darüber, wie man eine Instrumentalisierung der Religion vermeiden kann, und wie man denjenigen, die den Hass schüren, begegnen sollte. Dabei haben wir uns definitiv niemals vorgestellt, es könne einen Angriff auf eine Kirche geben, am wenigsten hier bei uns. Aber diese Fanatiker könnten genauso einen Imam töten und eine Moschee angreifen. Sie wissen nicht, worin die Werte des Glaubens bestehen.
Frage: Was war Ihre erste Reaktion nach dem Attentat vom Dienstag?
Karabila: Wir haben sofort mit einer totalen Verurteilung reagiert. Das haben wir immer getan, nach jedem Attentat. In diesem Fall betraf die Attacke einen Priester während der Messe, er wurde vor seinem Altar getötet, und das ist leider ein noch stärkeres Zeichen. Es ist eine barbarische Tat. Unsere muslimische Gemeinde hat nicht das Geringste mit diesen Menschen zu tun.
Frage: Kritiker haben Ihre Moschee als „salafistisch“ bezeichnet.
Karabila: Das macht mich ganz krank. Woher kommt diese Information? Man sollte doch zumindest seine Quellen bekannt geben. Dabei predigen wir täglich das friedliche Zusammenleben. Wir sind nie in irgendeiner Weise verdächtigt oder durchsucht worden. Wir werden niemandem erlauben, uns in den Schmutz zu ziehen. Wenn ich bemerken würde, dass Personen sich radikalisieren, wäre ich der Erste, der sie bei den Autoritäten melden würde. Wir sind ein Bollwerk gegen den Fanatismus. Außerdem wird unsere Moschee per Video überwacht, die Bänder stehen mir zur Verfügung. Wir haben hier immer gegen die Gewalt angekämpft. Wir haben auch für einen der Soldaten gebetet, einem der Opfer von Mohammed Merah (islamistischer Attentäter von 2012 Anm. d. Red.), er war hier aus unserer Region.
Frage: Befürchten Sie, dass das Misstrauen und die Feindseligkeit gegenüber Ihrer Gemeinde nun stärker werden?
Karabila: Das Ziel der Terroristen ist es, uns zu spalten. Den einen gegen den anderen aufzuhetzen. Wenn wir den Terrorismus besiegen wollen, müssen wir mit noch mehr Solidarität darauf antworten, mit noch mehr Brüderlichkeit. Ich hoffe, dass Frankreich geeint bleibt. Die Franzosen sind ein Volk mit einer großartigen Geschichte und müssen nun beweisen, dass sie diese schwierige Prüfung bestehen können. Aber ich habe keine Angst vor einem Religionskrieg. Daran glaube ich nicht.
Frage: Kannten Sie Adel Kermiche, einen der beiden Terroristen?
Karabila: Ich habe ihn in unserer Moschee nie gesehen. Niemals. Sein Vater ist vielleicht ein paarmal gekommen. Aber es wundert mich nicht, dass der Junge nie da war. Die Terroristen sind keine Muslime, und man darf sie nicht mit uns verwechseln.
Übersetzung: Bettina Schneider