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Nach der Trennung Bin ich eine Stalkerin, weil ich meinem Ex online folge?

Online Stalking
"Das Wort Stalking ist für mich zu ernst und negativ behaftet, dass ich es hinnehmen konnte"
© Picture Alliance
Rabea hatte an der Trennung von ihrem Freund lange zu knabbern. Weil sie sein Leben in den sozialen Netzwerken weiter verfolgte. Wohl fühlte sie sich dabei nicht. Aber sie konnte nicht anders. Bis ihre Freundinnen sie als Stalkerin bezeichneten.

Flo hat mich an einem Montag verlassen. Nach fünf Jahren Beziehung und im Anschluss an ein Wochenende, an dem er sich nichts anmerken ließ, kündigte er unser gemeinsames Leben. Einfach so. Zu behaupten, dass es sich anfühlte, als hätte er mir von hinten durch den Rücken mit brennender Hand in meinen Brustkorb gegriffen und mein Herz mit einer rabiaten Bewegung herausgerissen, wäre eine Untertreibung. Es war das Ende der Welt, wie ich sie kannte. Zumindest das Ende meiner Welt.

Weil er mir keine Erklärung liefern konnte, warum er für uns keine Zukunft mehr sah, hatte ich große Probleme, die Trennung zu akzeptieren. Ich fragte ihn, was ich falsch gemacht hatte, ob er eine Neue hatte, was zur Hölle eigentlich sein Problem war – aber er stammelte bloß herum, dass es irgendwie nicht mehr reicht, was nichts anderes hieß, als dass ich ihm nicht mehr reiche. Ich wäre fast gestorben, weil ich mich in meinen Leben noch nie zuvor so hilflos gefühlt hatte. Wir machten den harten Schnitt und sahen uns fortan überhaupt nicht mehr.

Nur online blieben wir "in Kontakt".

Es dauerte Monate, bis ich meinen Blick vom Boden nehmen konnte. Bis ich mich wieder ein wenig gerader machen konnte. Bis ich nicht mehr jeden Morgen mit dem Gedanken an ihn aufwachte. Trotzdem fragte ich mich regelmäßig, wie es Flo wohl gerade geht und was er jetzt so macht. In diesen Momenten war ich froh, dass ich ihm noch bei Instagram folgte und dass wir weiter bei Facebook befreundet waren. So blieb ich über sein Leben auf dem Laufenden: Ich bekam mit, dass er seinen Geburtstag offenbar mit einer großen Party in seiner WG feierte; dass er mit seinen beiden besten Freunden ein Wochenende auf dem Deichbrand-Festival verbrachte; dass er sich ein neues Fahrrad kaufte.

Neugier, Sehnsucht und Masochismus

Warum ich mir das antue, fragten meine Freundinnen. So wirst du ihn nie vergessen, sagten sie. Aber vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Mein Antrieb war eine Mischung aus Neugier, Sehnsucht und Masochismus. Aber so genau dachte ich darüber auch gar nicht nach. Ich rief seine Profile immer selbstverständlicher immer häufiger auf und wäre wohl auf der Stelle vor Scham implodiert, hätte in jener Zeit irgendein Hacker meinen Browserverlauf öffentlich gemacht.

Vielleicht suchte ich unbewusst immer noch nach Erklärungen, die Flo mir nie gegeben hatte. Immer unbewusster rief ich das Update aus dem Alltag meines Ex wie ein suchtstillendes Mittel ab. Es war einfach zu leicht. Mit nur einem Klick schien ich ihn immer noch zu kennen – ihn oder die Version seiner Persönlichkeit, die er seinem Bekanntenkreis vorgaukeln wollte zu sein.

Meine Freundinnen verloren langsam die Geduld mit mir und nannten mich eine Stalkerin. Das war der Moment, der mich innehalten ließ. Sie meinten es nicht so ernst, wie sie es sagten, aber das Wort Stalking ist für mich zu ernst und negativ behaftet, dass ich es hinnehmen konnte. Stalking ist eine Straftat. Jedes "echte" Stalking-Opfer wird mir zustimmen: Das Wort wird allzu leichtfertig verwendet.

Trotzdem oder gerade deshalb hinterfragte ich meine Online-Gewohnheiten in Bezug auf Flo zum ersten Mal mit Nachdruck. Mir wurde klar, dass ich mir durch das Herumschnüffeln in seinen Fotoalben am Ende nur selbst schadete. Dass ich in einer Zeitschleife gefangen bleiben würde, wenn ich so weitermachte. Und dass genau das der Unterschied zum Stalking war: Flo bekam schließlich nichts davon mit, dass ich ihn "beobachtete". Er konnte sich gar nicht belästigt fühlen. Ich belästigte mich bloß selbst. Und das war so ziemlich das Dümmste, was ich mir in meiner Situation antun konnte.

Der Moment, der kommen musste

Ich brachte es zunächst nicht übers Herz, Flo zu entfolgen. Ich bin einfach nicht der Typ, der das Pflaster mit einem Ruck abreißt. Aber ich schaffte es, sein Profil immer seltener aufzurufen. Ab und zu stolperte ich noch über eine seiner Statusmeldungen. Eines Tages postete er ein Bild von sich und seiner neuen Freundin. Es war klar, dass der Moment irgendwann kommen musste. Auch ich war inzwischen wieder in einer Beziehung. Flos Gesichtsausdruck auf dem Foto tat mir trotzdem weh: Er sah so glücklich aus. Aber genau das ging mich längst nichts mehr an. Ich wollte nicht länger als Touristin in meiner eigenen Vergangenheit herumstreunen. Ich brauchte den Abgleich mit Flos Alltag nicht mehr als Rückversicherung, dass es mir vielleicht viel besser ging als ihm. Oder welche Rückversicherung auch immer ich mir erhoffte.

Ich entfernte Flo als Facebook-Freund. Ich entfolgte ihn auf Instagram. Alles ganz still und unspektakulär – der schönen Zeit, die wir mal gehabt hatten, eigentlich total unangemessen. Aber ich hatte inzwischen gelernt, dass es nicht funktioniert, die Vergangenheit mit der Gegenwart in Relation zu setzen. Ich war zu müde, um weiter zu trauern. Ich wollte nur noch weg vom Schreibtisch, raus aus dem Zimmer, Zeit mit meinem neuen Freund verbringen. Dem Mann, dem ich reiche, der mit mir zusammen sein will, draußen in der analogen Welt.

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