Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich auf eine Agenda von Bratislava geeinigt. Sie werde von einer breiten Mehrheit aller EU-Mitgliedsstaaten getragen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit François Hollande. Neben der Förderung des Wohlstands und dem Kampf gegen den Terrorismus geht es in der Agenda auch darum, wie die Staaten in der Flüchtlingskrise künftig zusammenarbeiten wollen.

Wichtig sei es, die illegale Migration in die EU zu stoppen, sagte Merkel. Dazu sei es notwendig, mit weiteren Drittstaaten zusammenzuarbeiten. Auch müssten die EU-Mitgliedsstaaten im Bereich der Verteidigung noch stärker kooperieren. In Bratislava sei ein "Geist der Zusammenarbeit" zu spüren gewesen, sagte Merkel. Allen 27 Staats- und Regierungschefs sei klar gewesen, dass die vereinbarten Ziele nur gemeinsam zu schaffen seien. Man habe "ein gutes Stück Europa" auf dem Gipfel gesehen. Der französische Präsident sprach sich ebenfalls für einen starken Grenzschutz aus, mahnte aber an, dass das Recht auf Asyl zu respektieren sei.

Am Abend traten in Bratislava auch EU-Ratspräsident Donald Tusk und der slowakische Regierungschef und Gastgeber des Gipfels, Robert Fico, vor die Presse. Sie stellten die Abschlusserklärung vor, in der es unter anderem heißt: "Wir sind entschlossen, mit 27 Mitgliedstaaten einen Erfolg aus der EU zu machen." Die EU sei "nicht perfekt, aber sie ist das beste Instrument, das wir haben, um den Herausforderungen vor uns zu begegnen", heißt es. "Wir brauchen die EU, nicht nur, um Frieden und Demokratie zu sichern, sondern auch die Sicherheit unserer Menschen."

Merkel sagte, es sei wichtig, den Wählerinnen und Wählern Taten zu präsentieren. Dazu sei das Treffen in Bratislava ein "wichtiger Schritt. Aber eben nur ein Schritt auf einem längeren Weg".

Auf dem Gipfel in Bratislava war Großbritannien erstmals nicht vertreten. Das Brexit-Votum Ende Juni hatte die EU schwer erschüttert. Neben den Konsequenzen aus dem Referendum streiten die EU-Mitgliedsländer auch über die richtige Flüchtlings- und Wirtschaftspolitik. Auch das war am Freitag in Bratislava einmal mehr sichtbar: So lehnen etwa die vier osteuropäischen Staaten Ungarn, Slowakei, Tschechien und Polen die eigentlich schon beschlossene Umverteilung von Flüchtlingen weiterhin ab. 

Die vier sogenannten Visegrád-Staaten schlugen ihrerseits ein Konzept der "flexiblen Solidarität" vor. So sollten Mitgliedstaaten entsprechend "ihrer Erfahrung und ihres Potenzials" entscheiden dürfen, wie sie helfen wollen. Um zu kontrollieren, wer sich in der EU aufhält, fordern die Visegrád-Staaten ein Einreiseverfahren, wie es in den USA üblich ist, wo alle Daten bereits vor einem Besuch mitgeteilt werden müssen. Generell sei der Grenzschutz ein "effektiver Weg zum Kampf gegen illegale Einwanderung". Die vier Staaten boten an, die EU-Grenzschutzagentur Frontex stärker zu unterstützen.

Merkel sieht in der Mitteilung der Visegrád-Staaten trotzdem einen "positiven Ansatz", wie sie sagte. Es müsste ausgelotet werden, wie dies umzusetzen sei. Sie freue sich auf die Diskussion und sei bereit, mit diesen Staaten Lösungen zu finden.

Millionen für Bulgariens Grenzschutz

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gab in Bratislava bekannt, die EU werde Bulgarien künftig bei der Sicherung der Grenze zur Türkei helfen. Die Kommission habe entschieden, der Regierung in Sofia 108 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Der Betrag solle möglichst auf 160 Millionen Euro wachsen. 

Die Zusage für Bulgarien wertete Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán als einzigen Erfolg des Gipfels. Ansonsten sei das Treffen ein Misserfolg gewesen. "Er war insofern erfolglos, als dass es nicht gelungen ist, die Einwanderungspolitik Brüssels zu ändern", sagte der rechtskonservative Politiker nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. In der Union sei weiterhin "dieselbe selbstzerstörerische und naive Einwanderungspolitik vorherrschend wie bisher", sagte Orbán. "Selbst jetzt sprach man immer noch mehr über die Beschleunigung der Verteilung (von Flüchtlingen) als über das Stoppen der Migranten an den Schengener (Außen-)Grenzen."

Merkel will Taten sehen

Merkel hatte schon zum Auftakt des Gipfels gesagt: "Es geht darum, durch Taten zu zeigen, dass wir besser werden können." Sie nannte neben den Themen innere und äußere Sicherheit und Bekämpfung von Terrorismus auch die weitere Förderung des Wohlstands innerhalb der EU. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen setzt sie vor allem auf den digitalen Binnenmarkt.

Der französische Präsident, mit dem sich Merkel bereits am Donnerstag abgestimmt hatte, betonte in Bratislava die Stärkung der europäischen Verteidigung. Derzeit sei Frankreich besonders engagiert, doch wolle sein Land nicht alleine dastehen. Europa müsse sich notfalls auch ohne die USA selbst verteidigen können, sagte Hollande.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte am Vorabend eine "nüchterne und brutal ehrliche" Bestandsaufnahme gefordert. Am Freitagnachmittag legte er einen Fahrplan mit Themenschwerpunkten für die kommenden Monate vor. Abschluss des "Bratislava-Prozesses" soll der Jubiläumsgipfel zu 60 Jahren Römische Verträge im März sein. 

Mehr Sicherheit, mehr Jobs

Die Agenda kennt vor allem zwei Ziele: mehr Sicherheit und neue Jobs. Der Fahrplan ist eine Art Diskussionspapier, denn echte Beschlüsse können nur mit Großbritannien fallen, das bis auf Weiteres als volles Mitglied zur EU gehört. Doch versprachen sich die 27 in ihrer Schlusserklärung gegenseitig, besser zusammenzuarbeiten und die Bürger besser zu informieren.

Konkret verabredeten sie eine ganze Reihe von Projekten: Die Außengrenzen der EU sollen besser geschützt werden, um illegale Zuwanderung zu kontrollieren und zu bremsen. Der Flüchtlingspakt mit der Türkei soll umgesetzt werden. Der Aufbau einer gemeinsamen Grenze- und Küstenwache soll beschleunigt werden. Im Kampf gegen den Terror soll der Informationsaustausch verbessert werden. Im Dezember soll eine engere Verteidigungszusammenarbeit beschlossen werden. Auch neue Jobs und mehr Perspektiven für Jugendliche schreiben sich die 27 auf die Fahnen.