Der Kölner Schriftsteller Doğan Akhanlı ist auf Veranlassung der türkischen Regierung in der spanischen Stadt Granada festgenommen worden. Das teilte sein Anwalt mit. Das Auswärtige Amt bat die spanische Regierung Akhanlı nicht an die Türkei auszuliefern. Des weiteren sei die spanische Regierung gebeten worden, die "schnellstmögliche konsularische Betreuung" des Schriftstellers zu ermöglichen.

Der religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, hatte zuvor Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) aufgefordert, sich unverzüglich für die Freiheit Akhanlis einzusetzen. "Der Haftbefehl ist eindeutig rechtsmissbräuchlich", teilte er mit.

SPD-Kanz­ler­kan­di­dat Mar­tin Schulz sprach gegenüber der Bild am Sonntag von einem un­ge­heu­er­li­chen Vor­gang. Er for­derte die Bun­des­re­gie­rung und die Eu­ro­päi­sche Union zu einer deut­li­chen Re­ak­ti­on auf: "Es muss mit aller Ve­he­menz dar­auf ge­drun­gen wer­den, dass Herr Akhanlı nicht in die Tür­kei aus­ge­lie­fert wird und statt­des­sen schnellst mög­lich frei­ge­las­sen wird." Das Ver­hal­ten von Prä­si­dent Recep Tayyip Erdoğan trage in­zwi­schen "pa­ra­no­ide Züge."

Akhanlı lebt seit seiner Flucht aus der Türkei im Jahr 1991 in Deutschland und hat ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Was ihm vorgeworfen wird, ist derzeit unklar. Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete unter Berufung auf Akhanlıs Anwalt, bei der spanischen Polizei habe ein Dringlichkeitsvermerk der internationalen Polizeibehörde Interpol vorgelegen. Grundlage dafür sei ein Strafverfahren in der Türkei.

Zu Spiegel Online sagte Akhanlıs Anwalt, der Vorfall sei eine "gezielte Jagd der türkischen Regierung auf kritische Köpfe im Ausland". Jemand müsse die spanischen Behörden über den Aufenthaltsort von Akhanli informiert haben. "Warum sonst kommt die Polizei ins Hotel, macht gezielt eine Ausweiskontrolle und nimmt meinen Mandanten fest?"

Akhanli ist Mitglied der internationalen Schriftstellervereinigung PEN. Er kritisierte mehrfach die türkische Regierung. In seinem literarischen Werk thematisiert er den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren in der heutigen Türkei. Die türkische Regierung leugnet, dass es einen solchen Völkermord gegeben hat.

Der Kölner Schriftsteller war schon einmal im August 2010 bei der Einreise in Istanbul festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft warf Akhanli damals vor, einen bewaffneten Raubüberfall im Jahr 1989 begangen zu haben – zu einem Zeitpunkt, zu dem er nach Angaben seines Anwalts gar nicht im Land war. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Doch 2013 hob der türkische Berufungsgerichtshof den Freispruch auf. Möglicherweise deshalb sei Akhanli wieder auf einer Fahndungsliste gelandet, berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger.

Ein Festnahmeersuchen kann jedes Land bei Interpol beantragen. Die internationale Polizeibehörde prüft nicht, ob die Vorwürfe begründet sind. Über eine Auslieferung entscheidet dann aber die Justiz des betroffenen Landes, in diesem Fall Spanien. "Ich gehe davon aus, dass auch mein Mandant nirgendwohin ausgeliefert wird, schon gar nicht in die Türkei", sagt Akhanlis Anwalt Spiegel Online.