Im
Vortragssaal des deutschen Wissenschaftszentrums in Kairo herrschte
eine merkwürdig bedrückte Atmosphäre. Einige Stunden zuvor war
eine Bombe in der Petruskirche der Hauptstadt explodiert und mehr als
25 Menschen starben, Dutzende wurden verwundet. Vielleicht nicht der
beste Zeitpunkt, um über die digitale Zukunft in den aufstrebenden
Entwicklungsökonomien zu reden. Trotz dieser Stimmung entstand
jedoch ziemlich schnell ein sehr angeregtes und hochklassiges
Gespräch mit den teilnehmenden Unternehmern und
Verwaltungsfachleuten, die gekommen waren, um das deutsche Industrie-4.0-Konzept zu verstehen und die Auswirkungen auf Ägypten zu
diskutieren. Dabei sind derartige Betrachtungen noch Neuland.
Während die entwickelten Volkswirtschaften dabei sind zu verstehen, was die Vernetzung, Robotisierung und die Substituierung menschlicher Entscheidungen durch lernende Maschinen bedeutet – wobei hier keinesfalls immer eindeutige Bilder entstehen –, stecken derartige Betrachtungen in den Peripherien noch in den Kinderschuhen. Ist im Norden klar, dass auf lange Sicht etliche Arbeitsplätze, wenn schon nicht verloren gehen, dann doch zumindest in hochqualifizierte Rollen transformiert werden, so ist im Süden offen, was mit Niedriglohnarbeitern geschehen soll, die noch immer dreimal so viel kosten wie ein eingespielter Roboter. Wenn im Norden ebenfalls immer erkennbarer wird, dass die Unterstützung des Individuums durch eine staatliche Absicherung gewährleistet werden muss, ist in der Peripherie völlig unklar, wie soziale Transfers aussehen und finanziert können. Mit Ausnahme von Brasilien, welches unter Lula das Bolsa-Familia-Programm zur Unterstützung der ärmsten Schichten einführte, gibt es kaum nennenswerte Erfahrungen oder Anstrengungen.
Die vielen einfachen Routinetätigkeiten in der Peripherie werden wohl bereits in den ersten Wellen der Robotisierung unter Druck geraten. Was passiert mit den Hunderttausenden Arbeiterinnen in der Textilindustrie, die Massenware herstellen, wenn Roboter nähen lernen?
Glücklicherweise ist die menschliche Hand hier noch immer
notwendig – einer der vielen Widersprüche, welche unter dem
Moravec'schen Paradox zusammengefasst sind: Roboter können zwar
Schach spielen, aber aufgrund motorischer Einschränkungen noch
keinen Stoff nähen, dieser muss ja von der Näherin immer wieder
gestrafft und zurechtgelegt werden. Aber wie viel Zeit hat man noch?
Fünf oder zehn Jahre?
Was dann passiert, zeigt die Schuhindustrie: Roboter können einfacher Schuhe fabrizieren als Hosen nähen und so konnte bereits ein deutscher Sportbekleidungshersteller die Produktion wieder in den Westen zurückverlegen: Die Roboterfabrik soll ab 2017 Sportschuhe Made in Germany produzieren, weitgehend autonom. Auch die Autozulieferindustrie kommt unter Druck, wenn die Karosserie und Antriebstechnik elektrischer Autos immer reduzierter und die Software das Wichtigste wird. Wenn ganze Autoplattformen verschwinden, sinkt auch der Bedarf nach zugelieferten Teilen.
Wird die dritte Welt weiter abgeschnitten?
Was
passiert in einem Land, wenn bei hoher Basisarbeitslosigkeit
zusätzlich ganze Produktionslinien verschwinden? Auch entwickelte
Länder kämpfen mit der "Vision", Menschen, die durch die
dumpfen Produktionsprozesse ihre Kreativität und Eigeninitiative
"herausgeprügelt" bekommen haben, wie der große Issac Asimov in
einem visionären Interview in den achtziger Jahren messerscharf erkannt hat,
zu innovativen und selbstgesteuerten Produzenten zu transformieren.
Wie kann aber eine solche Transformation in den Entwicklungsländern
aussehen? Die lokalen Universitäten sind qualitativ schlecht,
produzieren stur am Bedarf vorbei und stärken nicht die
Eigeninitiative. Können Lernplattformen, wie sie in der arabischen
Welt entstehen, hier Abhilfe schaffen? Schwer vorzustellen, andere
Anbieter stehen aber nicht zu Verfügung.
Man kann sich zumindest für die jüngere Generation vorstellen,
dass das lokale Bildungsangebot durch erstklassige virtuelle
Lerninhalte und die Möglichkeiten, auf internationalen
Crowdworkingplattformen Erfahrungen zu sammeln, ein Upgrade erfährt. Ein zukunftsweisendes Projekt in Tunesien zeigt etwa, dass man
Softwareentwicklungsprozesse in westlichen Firmen durch lokal
gemanagte Büros für Programmierer in der Peripherie ergänzen und
so westliches und lokales Arbeiten (und Lernen) kombinieren kann.
Im
Vortragssaal des deutschen Wissenschaftszentrums in Kairo herrschte
eine merkwürdig bedrückte Atmosphäre. Einige Stunden zuvor war
eine Bombe in der Petruskirche der Hauptstadt explodiert und mehr als
25 Menschen starben, Dutzende wurden verwundet. Vielleicht nicht der
beste Zeitpunkt, um über die digitale Zukunft in den aufstrebenden
Entwicklungsökonomien zu reden. Trotz dieser Stimmung entstand
jedoch ziemlich schnell ein sehr angeregtes und hochklassiges
Gespräch mit den teilnehmenden Unternehmern und
Verwaltungsfachleuten, die gekommen waren, um das deutsche Industrie-4.0-Konzept zu verstehen und die Auswirkungen auf Ägypten zu
diskutieren. Dabei sind derartige Betrachtungen noch Neuland.