ZEIT ONLINE: Herr Sautner, der Deutsche Sparkassenverband warnt vor möglichen Strafzinsen auf Girokonten. Schuld soll die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik sein. Ist das realistisch?

Sautner: Hier soll eine gewisse Drohkulisse aufgebaut werden, weil die aktuell niedrigen Zinsen die Banken stark belasten. Als Präsident des Sparkassenverbandes versucht Georg Fahrenschon natürlich Druck aufzubauen gegen die EZB. Aus seiner Sicht ist diese Initiative also durchaus gerechtfertigt.

ZEIT ONLINE: Können Sie sich vorstellen, dass die Sparkassen solche Negativzinsen einführen?

Sautner: Das ist sehr unwahrscheinlich, zumindest für kleinere Beträge. Die Banken könnten aber durchaus ihre Gebühren für Geldmarktkonten anheben, um über die Hintertür dasselbe zu erreichen. Den Verantwortlichen wird sicherlich klar sein, dass sich die Sparer bei Negativzinsen nach Alternativen umschauen werden, selbst wenn das Kundenverhalten der Sparkassen als eher träge gilt. Denn wenn das Geld einmal weg ist, wird es auch so schnell bei steigenden Zinsen nicht wieder zurückkommen.

ZEIT ONLINE: Wie sieht es bei größeren Geldsummen aus, die auf dem Konto liegen?

Sautner: Man bekommt teilweise schon jetzt für Beträge über eine Million Euro keine Zinsen mehr. Besonders bei institutionellen Anlegern oder großen Unternehmen wären Negativzinsen eher vorstellbar. Das betrifft dann aber kaum Privatpersonen.

ZEIT ONLINE: Banken können sich gerade sehr günstig refinanzieren. Müssten sich deshalb nicht genauso die günstigen Zinsen auch bei Dispokrediten widerspiegeln?

Sautner: Das geschieht nur sehr eingeschränkt und ist sicherlich verstörend. Wenn die Zentralbankzinsen steigen, werden die Zinsen von den Banken schnell angepasst, wenn sie aber sinken, wird das nur zögerlich weiter gegeben. Die Situation wird ausgenutzt – zum Schaden der Kunden. Natürlich muss man bei den Dispozinsen auch eine relativ große Risikoprämie einrechnen, weil die Ausfallraten höher sind. Aber ein ähnliches Verhalten kennen wir auch aus anderen Branchen, etwa bei Fluglinien: Die erhöhen ihre Preise, wenn der Ölpreis steigt, senken sie aber nicht wieder bei besserer Marktlage.

ZEIT ONLINE: Die Sparkassen sind nicht die Einzigen, die Kritik an der EZB üben.

Sautner: Die Kritik ist Teil eines größeren Konzertes, das sich in den Medien und vor allem in der deutschen Politik abspielt. Je lauter dieses Konzert wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Auswirkungen auf die Entscheidungen der EZB haben kann.

ZEIT ONLINE: Wie sinnvoll ist überhaupt die Geldpolitik der EZB noch, sie zeigt ja nur wenig Wirkung?

Sautner: Die US-Zentralbank hat eine Wende in ihrer Geldpolitik eingeleitet und hebt den Leitzins mittlerweile allmählich an. Das erhöht auch den Druck auf den Euro-Wechselkurs. Wann es bei der EZB so weit ist, kann man nur schwer vorhersagen. Die Inflation ist immer noch sehr niedrig und die Investitionen ziehen trotz der günstigen Bedingungen nicht an. Aber irgendwann muss auch der EZB klar werden: Ihre aktuelle Politik funktioniert nicht.